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DJ Bobo in BernDie Euphorie der Nettigkeit

Mit seiner aktuellen Tournee feiert DJ Bobo seine dreissigjährige Karriere. 

Da steht er nun, 20.30 Uhr, DJ Bobo alias René Baumann, der erfolgreichste Sänger der Schweiz, und die Halle bebt. Er, der seit 30 Jahren Musik macht und in dieser Zeit kaum eine Möglichkeit ausgelassen hat, um in Interviews seine Durchschnittlichkeit zu betonen. «Ich bin ein mittelmässiger Tänzer, ein mittelmässiger Rapper, ein mittelmässiger Komponist», sagte er einst. Und wurde seither in fast jedem Medienbericht auch so zitiert.

Diese Betonung seiner gutschweizerischen Normalität wurde ihm auch schon als gewiefte Marketingstrategie vorgeworfen. Aber es ist nicht unbedingt Mittelmass, was der 55-Jährige auf seiner Jubiläumstournee «Evolut30n» zelebriert, am Freitag in der ausverkauften Postfinance-Arena, wo sonst der SC Bern durchschnittliches Eishockey spielt. Viel eher ist es: die ultimative Nettigkeit. An diesem Abend ist DJ Bobo ein schweizerischer Ted Lasso. Einfach tanzend, rappend und ohne Schnauz.

Das fängt damit an, wie er das Publikum begrüsst: «Damit wir uns alle besser kennen lernen, wäre es toll, wenn ihr euch eurem Sitznachbarn vorstellen würdet. Und falls ihr euch sympathisch findet, gebt ihr euch eine Umarmung.» Es geht weiter mit einem Schwall an Liedern, alle mit maximal harmlosen Texten wie: «Here is the party, here is the fun, here is the music and here is the sun.» Und es endet mit der anständigstmöglichen Vorstellung seiner Bandmitglieder. Keine gemurmelten Worte über einem mittelmässigen Soundteppich, sondern eine ausführliche persönliche Danksagung.

Fast wichtiger als die Musik ist die Bühnenshow. 

Auch die Musik ist – nett. Ein Medley aus sämtlichen Hits seiner Karriere, von «Somebody Dance with Me» bis «Chihuahua». Eine dauerhüpfende Tanzcrew, Pyrotechnik und Lichtshow umspülen die grellen Synthie-Akkorde, die dumpfen Beats. Getreu dem Motto: Mehr ist immer besser. Das ist sein Erfolgsrezept, seit Beginn seiner Karriere. Und als er in goldschwarzer Schürze aus dem Maul eines gigantischen Löwen tritt, stellt sich die vielleicht spannendste Frage dieser Jubiläumstournee: Wie schafft es ein Eurodance-Star, in Würde zu altern? 

Weder kann er sitzend wie Bob Dylan Gitarre spielen und in ein Mikrofon nuscheln noch sich wie Elton John hinter einem Klavier ausruhen. Die Antwort auf diese Frage beschäftigt Bobo übrigens selber. So hat er unlängst bei einem Treffen mit der «Zeit» gesagt, dass er keine Lachnummer werden möchte. Er habe eine seiner eigenen Shows auf Video analysiert, und es habe sich nicht gut angefühlt, diesen über 50-jährigen Mann tanzen zu sehen. «Wenn man älter wird, ist es ein schmaler Grat zwischen genial und albern.»

Der Peak ist überschritten

Also tanzt Bobo seither weniger – auch an diesem Abend. Neu ist auch, dass er einen Teleprompter auf der Hauptbühne benutzt, weil er nicht mehr den geistigen Speicher hat, um sich alle Texte und Choreos zu merken. Physisch hat er, wie er selber sagt, seinen Peak schon lange überschritten. Wer aber glaubt, dass diese Verschleisserscheinungen an seiner Auftrittsfreude zehren, irrt sich. 

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Zweieinhalb Stunden lang singt er, rappt er, fordert die Fans zum Mitwinken auf, dirigiert La-Ola-Wellen, bedankt sich, wird emotional, dabei verschwimmen die Lieder immer mehr, die euphorischen Refrains, die Kalendersprüche auf Englisch: «Respektiere dich, und du wirst das Licht sehen», «Glaube an die Freiheit».

Jüngst postulierte DJ Bobo in einem Interview, dass seine Lieder aus den 90ern ein kleines Revival durchlebten. Auf ihn wirkten die Songs wieder frischer, sagt er – als wäre der Zeitgeist nicht mehr so weit weg, wie es schon einmal der Fall war. Erklärt das die ausverkaufte Halle, den frenetischen Applaus? Eurodance als Teil der grassierenden 90er-Jahre-Nostalgie, wie bunte Trainerjacken oder bauchfreie Oberteile? 

Das Publikum zelebrierte vor allem die bekanntesten Bobo-Hits – je später der Abend, desto ausgelassener wurde die Stimmung.

Sicher ist, dass Bobo mit seiner Show vor allem ein Ziel radikal verfolgt: die bestmögliche Unterhaltung. So teilt er auf der Bühne keine revolutionären Botschaften, keine emotional aufgeladenen Momente. Es muss auch keinen Sinn ergeben, dass plötzlich weiss gekleidete Frauen mit Glitzerhelmen auf der Bühne tanzen oder dass Schlangen mit roten Augen auf der Leinwand ins Leere schnappen. Hauptsache, das Ganze macht Spass. Und so verkörpert Bobo erstaunlich präzise die 90er – das Jahrzehnt des grenzenlosen Optimismus, als sich der Westen sicher war, es gehe nur noch bergauf mit dieser Welt. 

Aber trotz aller Euphorie – irgendwann passiert es. Die Nettigkeit überschreitet die Grenze zur Banalität. Spätestens dann, wenn die Tanzcrew nach einem Kleiderwechsel in Pastellfarben wieder die Bühne betritt. Und nach zwei Stunden Eurodance sehnt man sich umso intensiver nach Melancholie, nach Reibung, nach Moll-Akkorden oder düsteren E-Gitarren. Alles, um diese klebrige Süssigkeit zu durchbrechen. Bis zum Schluss bleibt diese Hoffnung aber – wie zu erwarten – vergebens.